Leserbrief: “Und ich habe das Gefühl, dass die Lehrer im Englischunterricht mit ihm überfordert sind.”

Dieser Leserbrief erreichte mich per E-Mail zu Ostern, die Autorin war freundlicherweise bereit, mir die Erlaubnis zur Veröffentlichung zu geben.
Dieser Beitrag stellt entsprechend die Meinung der Autorin dar.

 

Hallo,

ich gebe ausschließlich einem bald 12-jährigen Jungen Nachhilfe in Englisch und dabei auch nur Vokabeln. Seine Schwester ist knapp 2 Jahre älter, die hat das schon hinter sich (allerdings in Mathe und Englisch komplett).

Aber im Gegensatz zu seiner Schwester hat er eine Rechtschreibschwäche. Ich weiß nicht, welche Form, aber ich würde behaupten, dass es schon in LRS hineingeht. Und ich habe das Gefühl, dass die Lehrer im Englischunterricht mit ihm überfordert sind. Das fünfte Schuljahr ist jetzt fast vorbei und ich muss schon nach der dritten Stunde feststellen, dass er sich die Vokabeln kaum merken kann. Es ist schon schlimm genug, dass der Staat meint, alle Schüler sind gleich und müssen das gleiche lernen, obwohl doch manche Individuen schon mit ihrer Muttersprache überlastet sind (und die wäre es doch am meisten Wert, gefördert zu werden?!).

Ich versuche jetzt also, ihm die Vokabeln vom Anfang des Schuljahres einzutrichtern und zusätzlich die neuen im Gedächtnis zu halten (sofern diese da hineinkommen). Dass der Junge leicht “angeknackst” ist, weil er ca. 3x in der Woche zu verschiedenen Terminen muss (Sprachtherapie, LRS-Therapie, etc.) und dann einfach auf anderes “keinen Bock” mehr hat, kann ich gut verstehen.

Ideal wäre es doch, wenn der Unterricht wie an der Uni gestaltet werden könnte. Man hat einfach einen Plan, was man alles lernen muss und stellt sich den Unterricht nach Modulen zusammen. Ich weiß nicht, was es bringen soll, 6 Jahre Biologie zu lernen, wenn einer das Fach nicht leiden kann, aber dafür ein Händchen für Textilgestaltung hat. Muss man denn die Schüler ständig mit dem quälen, was ihnen keinen Spaß macht und/oder was sie einfach nicht können? Was nützt es einem Menschen mit einer Form von Schreibschwäche, wenn er zwei Sprachen kann, aber keine davon richtig?

So, das war jetzt meine Meinung zum Thema Schule. Meine Schwäche war eher bei der mündlichen Wiedergabe, weshalb Biologie, Chemie, Physik und Geschichte nie viel besser als “ausreichend” waren. Mit den richtigen Lehrern wäre das kein Problem gewesen, aber die meisten haben es einfach nicht drauf (ich habe sehr viele Schulen besucht, insgesamt eine in Erfurt, eine in Herdecke, zwei in Dortmund und zwei in Bergkamen). Und auch meinem Nachhilfeschüler wird nicht genug geholfen.

Ich wünschte, ich hätte es auch zum Voll-Abitur gebracht, eine fehlende Fremdsprache hat mir den Zugang zu allgemeinen Bereichen verwehrt. So sitze ich hier am Computer, weiß, wie ich den auseinander nehmen und auch zusammen setzen muss (was ich auch schon mit 12 konnte), aber habe keine Möglichkeit, Defizite aufzuzeigen. Es ist einfach alles ein Mangel an Planung (Politiker, Firmenbosse und auch einige Beamte halten das für ein Fremdwort, das man nicht beschreiben können muss).

Ich wünsche Ihnen viel Erfolg bei Ihrer Arbeit und hoffe, dass Sie irgendwann die dicke Eisdecke durchbrechen können.

Liebe Grüße
Mandy

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Ein Kommentar

  1. Andreas
    Erstellt am 23. November 2013 um 08:28 | Permanent-Link

    Liebe Mandy,
    Sie sprechen mir aus der Seele. Ich habe schon Schüler nach England geschickt, damit sie dort ihre Hochschulzugangsberechtigung erwerben. Dort wählen sie aus einem Kanon von vier Fächern ganz nach Neigung und Begabung aus. Mein Abitur wäre auch beinahe an meinen miesen Mathekenntnissen gescheitert. Das Abitur ist ein Hürde für viele Menschen mit einseitiger Begabung. Diese wertvollen Köpfe gehen uns durch diese überkommene Prüfung verloren. In manchen anderen Ländern Europas kommt man viel leichter an die Uni. So viel zur Chancengleichheit. Bei uns verkürzt man unter dem Deckmäntelchen der Chancengleichheit lieber die Schulzeit ohne die Anforderungen anzupassen. Es geht ja eigentlich auch nur ums Sparen. Gut, dass man heute auch mit einem Meisterbrief studieren kann, aber da geht noch mehr. Ich finde Ihren Vorschlag mit den Modulen sehr gut und Ihre Kritik absolut berechtigt.
    Gruß
    Andreas (Lehrer an einem Gymnasium im Hochsauerland)

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