Leserbrief zum Thema “Legasthenie/LRS und Inklusion”
Von David Gerlach | Veröffentlicht am: 2. Dezember 2012
Auf meinen Artikel zum Thema “Inklusion statt LRS-Förderung?” erhielt ich eine E-Mail einer Mutter legasthener Kinder, die die Schwierigkeiten und Kämpfe von Eltern sehr gut darstellt. Sie schildert die Situation in Österreich, aber ich denke, dass die meisten Aspekte auch auf unsere Situation in Deutschland übertragbar sind. Mit der freundlichen Genehmigung der Schreiberin veröffentliche ich hier die ungekürzte E-Mail mit Hervorhebungen in Fettdruck von mir:
Sehr geehrter Herr Gerlach,
ich habe mit Interesse Ihren Vortrag gelesen.
Mehrere Mitglieder meiner Familie sind legasthen und so war es mir möglich den Umgang mit dieser Personengruppe aus eigener Erfahrung zu beobachten.
Bei uns in Österreich landeten Legastheniker bis in die 70er Jahre in der Sonderschule und hatten damit jede Möglichkeit einer Berufsausbildung verspielt. LRS galt als Folge fehlender Förderung durch die (berufstätigen) Mütter. Diesem Schicksal konnten Kinder nur entrinnen, wenn sich ihre Eltern sehr für sie einsetzten.
Später gab es wohl Förderung, aber da Erfolge oft ausblieben, zog man es vor “Legasthenie – LRS” zu ignorieren. Die zukünftigen Lehrer erfuhren in ihrer Ausbildung nicht viel über dieses Problem.
Heute ist die Lage folgende: Man trifft neben sehr gut informierten und bemühten Lehrern und Eltern auch Lehrer, die Legasthenie für eine Behinderung halten.
Wenn ein Kind als Legastheniker, LRS Kind, Kind mit Teilleistungsstörung usw. erkannt wird kommt es heute manchmal noch zu Folgendem: Dem Kind wird ein sonderpädagogischer Förderbedarf bescheinigt. Damit wird das Kind in der normalen Schule nach dem Lehrplan der Sonderschule unterrichtet dieser Umstand wird auch auf dem Zeugnis vermerkt. Eltern sind oft am Anfang erleichtert da der Druck etwas gemindert wird und die Noten besser werden. Wenn ihnen dann klar ist, dass ihr Kind praktisch in der Sonderschule gelandet ist, ist es oft zu spät um noch etwas rückgängig zu machen.
Als meine Tochter in die Hauptschule kam, habe ich mich beim Direktor “geoutet” und gefragt ob Förderstunden, Lehrer mit Zusatzausbildung o. ä. in dieser Schule vorhanden wären. Das war natürlich nicht so, aber er bot mir einen Platz in der Integrationsklasse an, weil mein Kind sich dort nicht so anstrengen müsse. Nach dieser Aussage schaute ich, dass ich weg kam und meldete meine Tochter in der anderen Hauptschule an , auch keine Förderung aber eine Direktorin die sich auskennt.
Wenn legasthene Kinder als Integrationskinder betrachtet werden, befürchte ich, dass ihnen das nur schaden kann. Sie gelten dann in den Augen der anderen Kinder, Lehrer, Eltern als behindert und werden auch so behandelt. Weiters sehe ich es als nicht gesichert an, dass diese Kinder die geeignete Förderungen erhalten. Somit hätten sie zwar, auch in ihrer eigenen Wahrnehmung, das Gefühl “anders” zu sein aber darüber hinaus keine Vorteile.
Zwei meiner drei Kinder sind Legastheniker, als ich erkannte, dass es nirgendwo eine geeignete Förderung für sie zu finden war, machte ich selbst die Ausbildung zur Legasthenietrainerin. Da ich selbst Legasthenikerin bin fällt es mir leicht, sozusagen in Augenhöhe, mit legasthenen Kindern zu arbeiten.
Ich wäre überglücklich, wenn jedes Kind egal wie und wo, nach dessen individuellen Bedürfnissen gefördert würde, aber aber ich glaube, von diesen paradiesischen Zuständen sind wir noch weit entfernt.
Ich bin Ihnen sehr dankbar, dass ich durch Sie immer wieder neue Erkenntnisse über Legasthenie, vor allem in Englisch gewinnen kann.
Dieser Blog beschäftigt sich mit der Förderung legasthener oder lese-rechtschreib-schwacher Englischlerner. Hier sollen Lösungen für LRS-Schüler/innen und deren Trainer/innen und Lehrkräfte vorgestellt und diskutiert werden.
Leserbrief zum Thema “Legasthenie/LRS und Inklusion”
Auf meinen Artikel zum Thema “Inklusion statt LRS-Förderung?” erhielt ich eine E-Mail einer Mutter legasthener Kinder, die die Schwierigkeiten und Kämpfe von Eltern sehr gut darstellt. Sie schildert die Situation in Österreich, aber ich denke, dass die meisten Aspekte auch auf unsere Situation in Deutschland übertragbar sind.
Mit der freundlichen Genehmigung der Schreiberin veröffentliche ich hier die ungekürzte E-Mail mit Hervorhebungen in Fettdruck von mir:
Sehr geehrter Herr Gerlach,
ich habe mit Interesse Ihren Vortrag gelesen.
Mehrere Mitglieder meiner Familie sind legasthen und so war es mir möglich den Umgang mit dieser Personengruppe aus eigener Erfahrung zu beobachten.
Bei uns in Österreich landeten Legastheniker bis in die 70er Jahre in der Sonderschule und hatten damit jede Möglichkeit einer Berufsausbildung verspielt. LRS galt als Folge fehlender Förderung durch die (berufstätigen) Mütter. Diesem Schicksal konnten Kinder nur entrinnen, wenn sich ihre Eltern sehr für sie einsetzten.
Später gab es wohl Förderung, aber da Erfolge oft ausblieben, zog man es vor “Legasthenie – LRS” zu ignorieren. Die zukünftigen Lehrer erfuhren in ihrer Ausbildung nicht viel über dieses Problem.
Heute ist die Lage folgende: Man trifft neben sehr gut informierten und bemühten Lehrern und Eltern auch Lehrer, die Legasthenie für eine Behinderung halten.
Wenn ein Kind als Legastheniker, LRS Kind, Kind mit Teilleistungsstörung usw. erkannt wird kommt es heute manchmal noch zu Folgendem: Dem Kind wird ein sonderpädagogischer Förderbedarf bescheinigt. Damit wird das Kind in der normalen Schule nach dem Lehrplan der Sonderschule unterrichtet dieser Umstand wird auch auf dem Zeugnis vermerkt. Eltern sind oft am Anfang erleichtert da der Druck etwas gemindert wird und die Noten besser werden. Wenn ihnen dann klar ist, dass ihr Kind praktisch in der Sonderschule gelandet ist, ist es oft zu spät um noch etwas rückgängig zu machen.
Als meine Tochter in die Hauptschule kam, habe ich mich beim Direktor “geoutet” und gefragt ob Förderstunden, Lehrer mit Zusatzausbildung o. ä. in dieser Schule vorhanden wären. Das war natürlich nicht so, aber er bot mir einen Platz in der Integrationsklasse an, weil mein Kind sich dort nicht so anstrengen müsse. Nach dieser Aussage schaute ich, dass ich weg kam und meldete meine Tochter in der anderen Hauptschule an , auch keine Förderung aber eine Direktorin die sich auskennt.
Wenn legasthene Kinder als Integrationskinder betrachtet werden, befürchte ich, dass ihnen das nur schaden kann. Sie gelten dann in den Augen der anderen Kinder, Lehrer, Eltern als behindert und werden auch so behandelt. Weiters sehe ich es als nicht gesichert an, dass diese Kinder die geeignete Förderungen erhalten. Somit hätten sie zwar, auch in ihrer eigenen Wahrnehmung, das Gefühl “anders” zu sein aber darüber hinaus keine Vorteile.
Zwei meiner drei Kinder sind Legastheniker, als ich erkannte, dass es nirgendwo eine geeignete Förderung für sie zu finden war, machte ich selbst die Ausbildung zur Legasthenietrainerin. Da ich selbst Legasthenikerin bin fällt es mir leicht, sozusagen in Augenhöhe, mit legasthenen Kindern zu arbeiten.
Ich wäre überglücklich, wenn jedes Kind egal wie und wo, nach dessen individuellen Bedürfnissen gefördert würde, aber aber ich glaube, von diesen paradiesischen Zuständen sind wir noch weit entfernt.
Ich bin Ihnen sehr dankbar, dass ich durch Sie immer wieder neue Erkenntnisse über Legasthenie, vor allem in Englisch gewinnen kann.
Mit freundlichen Grüßen
Petra Niedermoser